Auf Montage in Namibia – Bericht eines Astrotechnikers

Hakos/Namibia

Lat. 23°41´21´´ S Long. 16°48´11´´ E

03. – 15.10.2015

Beobachter / Observer: Dr. Thomas SCHRÖFL
E-Mail / email: thomas.schroefl@waa.at
Datum / Date: 03.-15.10.2015
Beobachtungsort / Location: Hakos/Namibia
Instrument: Deltagraph f3.3/1000mm, William FLT98 teilw. mit 0.8x Reducer/Flattener, Nikon f2.8/18 0mm ED, MC-modif. Canon 760D9, QHY8Pro

Bericht;

Am 3. Oktober breche ich in diesem Jahr zum zweiten Mal nach Namibia auf. Diesmal steht weniger das astronomische Vergnügen im Vordergrund sondern vielmehr die Fertigstellung der WAA-Sternwarte auf der Farm Hakos, ich fliege also sozusagen "auf Montage".

Wie in den letzten Jahren üblich geht es mit der SAA von München über Johannesburg nach Windhoek. Nur diesmal wird bereits die Anreise nach München zum Umweg, denn wegen des zwischen Salzburg und München bis 4.10. eingestellten Zugsverkehrs, bedingt durch den derzeitigen Flüchtlingsstroms durch Österreich und das Oktoberfest in München, muß ich den ICE von Wien nach Frankfurt nehmen und im bis dahin mir unbekannten bayrischen Ort Plattling in einen Regionalzug nach München umsteigen. Plattling wird mir lange in Erinnerung bleiben, denn beim Aussteigen mußte ich feststellen, daß mir mein Laptop aus der Gepäcksablage gestohlen wurde. Zwar ist mein Gepäck versichert, aber was nützt das, wenn der Zeitwert eines über 5 Jahre alten Laptop in der Gegend von knapp über null liegt; ärgerlich allemal. Der positive Aspekt daran: meinen mehrstündigen Aufenthalt am Münchner Franz-Josef-Strauß-Flughafen nütze zum Kauf eines Samsung Tablets als provisorischem Ersatz. Natürlich erst nach einem zünftigen Weißwurstessen. Das Christkind kam somit früher als geplant, dafür habe ich das Tablet auch selbst bezahlt:).

Da der Airbus 340 fast vollständig ausgebucht war, bestand der Nachtflug aus Dösen in Sitzposition und nicht wie im Mai aus Schlafen auf vier freien Sitzen. Dafür gingen dann Paßkontrolle und Security-Check in Johannesburg blitzschnell und so blieb mit vor dem Weiterflug noch ausreichend Zeit den für die nächsten 10 Tage letzten wirklichen Kaffee zu genießen. Ich hatte schon bei früheren Zwischenstops in Johannesburg ein vorzügliches kleines Cafe entdeckt, bei dem es den von mir so geschätzten Illy-Kaffee gibt. Pünktlich hob der Airbus 319 ab und etwas mehr als 11/2 Stunden später landete ich nun bereits zum 10. Mal in Windhoek.

Am Flughafen empfing mich dann eine betrübliche Nachricht. Am Montag vor meiner Ankunft war Walter Straube, der Senior von Hakos, in Swakopmund mit 78 Jahren nach langer Krankheit einem Herzversagen erlegen. Damit ist ein Stück namibischen Urgesteins deutscher Herkunft von uns gegangen. Für mich persönlich war Walter nicht nur ein liebgewonnener Gastgeber auf Hakos sondern er entsprach auch völlig meinen Vorstellungen von einem Pionier. In einem überaus schönen aber gleichzeitig auch unwirtlichen und kargem Land eine Farm zu führen, bedarf einer kräftigen Portion an Pioniergeist, Wille zu harter Arbeit, Können und Geschicklichkeit auf vielen Gebieten und viel Liebe zu dem Land, in dem man lebt, sonst nähme man diese Entbehrungen nicht auf sich. Was wir als Gäste und Europäer auf Hakos als selbstverständlich empfinden, will in diesem abgeschiedenen Stück afrikanischen Landes hart erarbeitet sein. Nach Wasser bohren, Pumpen einrichten, Leitungen verlegen und Zisternen bauen oder man sitzt im Trockenen. Strom? Weit und breit gibt es keine Überlandleitung, an der man sich einfach anhängt und das Licht aufdreht. Strom wird überwiegend mit Solarpanelen und Windrädern und als letztes Mittel mit einem Dieselgenerator erzeugt und in einer Unzahl von Batterien gespeichert. Diese Liste ließe sich ad libidum fortsetzen. Walter war aber auch über Jahrzehnte ein Pionier in der Förderung der Astronomie in Namibia. Der bekannte Dr: Hans Vehrenberg hat in den 1970ern zu einem erheblichen Teil seinen Atlas Stellarum auf Hohenheim fotografiert. Hohenheim ist die Nachbarfarm von Hakos, gehörte ebenfalls Walter Straube und wurde vor wenigen Jahren von ihm verkauft. Vehrenberg erweckte Walters astronomisches Interesse. Heute erinnert die Haussternwarte auf Hakos, die den Namen "Dr. Hans Vehrenberg Sternwarte" erhielt an diese Zeit. Ebenfalls in den 70ern begannen sich ESO-MPIA für den Gamsberg als möglichen Standort für ein Großteleskop zu interessieren, bevor die Entscheidung auf Chile als Standort fiel. In den Jahren als das MPIA die Bedingungen am Gamsberg evaluierte, war Walter maßgeblich an der erforderlichen Logistik beteiligt, so vor allem im Bereich des Baues und Befahrens der abenteuerlichen "Straße" auf den Gamsberg. Er war damals sozusagen der "Hausmeister" des MPIA für den Standort Gamsberg. Dr. Thorsten Neckel war damals auf Seiten des MPIA maßgeblich an der Erforschung der Astroklimatologie des Gamsberges beteiligt. Von seiner Tätigkeit in dieser Gegend zeugt heute der von ihm der Farm Hakos geschenkte Zeiss APQ 130/1000, der demnächst auf einer Losmandy G11 auf der 2. und von der Farm genutzten Säule der Felsen(WAA)Sternwarte einziehen wird. An den Einrichtungen des MPIA am Gamsberg wurden Ende der 90er der IAS (Internationale Amateur Sternwarte) die Nutzungsrechte eingeräumt. Die IAS betreibt heute am Gelände der Farm Hakos eine großzügigst ausgestattete Teleskopanlage u.a. mit 3 20-Zoll-Geräten, einem C14, einem 17,5 Zoll Dobson und einem 130mm TMB. Auf dem Gamsberg nahm die IAS 2010 einen 71cm Newton in einer Gabelmontierung in Betrieb. Seit nun über 15 Jahren sind die IAS-Astronomen regelmäßige Gäste der Hakos-Farm. In den letzten Jahren wurde Hakos auch fixer Standort für einige andere Amateurastronomen. Von der WAA sind dies Christoph Niederhametner, Wolfgang Weiser und ich, wobei sich Monika Klapka in den letzten Jahren als treue Begleiterin dieser Truppe angeschlossen hat. Auch andere WAAler kommen immer wieder, wenn auch nicht so regelmäßig wie wir nach Hakos.

Erst kürzlich erhielt Walter eine Urkunde des MPC, das einem 3km großen Kleinplaneten im Asteroidengürtel über Antrag der Entdecker den Namen "WalterStraube" in Anerkennung seiner Verdienste um die Astronomie in Namibia gegeben hat (Kleinplanet (157015) WalterStraube = 2003 QL47).

Der Tag seines Todes fiel schließlich mit dem Tag der totalen Mondfinsternis zusammen.


Walter Straube 29.1.1937 - 28.9.2015


Die Urkunde des Minor Planet Centre

Am Sonntag, dem Tag meiner Ankunft, geht es sich nur mehr aus die umgebaute Säule der Sternwarte in Augenschein zu nehmen. Das Stahlrohr wurde etwas gekürzt, mit Beton gefüllt und nach oben konisch zulaufend ummauert. Etwas erinnert es nun an das Fundament des großen Refraktors am astrophysikalischen Institut in Wien, nur viel viel kleiner.

Als ich dann am Montag (5.10.) mit den Montagearbeiten beginne, kommt die erste Überraschung. An der Südseite steht die Ummauerung der Säule der Gegengewichtsstange im Wege und muß etwas abgeschrägt werden. Natürlich stellt sich das erst heraus als Daniel mit Kübel und Ausreibfetzen die Sternwarte vom Staub befreit hat. Mit dem Abschremmen und frisch Verputzen war der Montag auch schon wieder vorbei.


Die EQ8 auf der Säule, die abgeschrägte Kante ist noch feucht vom frischen Zementputz

Am Dienstag (6.10.) nach dem Frühstück beginne ich mit Friedhelm die aus Windhoek beschaffte Alu-Montageplatte zur Aufnahme der Geräte vorzubereiten, d.h. die erforderlichen Löcher bohren und Gewinde schneiden. Als wir dann nach der Kaffeejause soweit sind alles auf die Montierung zu hieven gibt es die nächste unerwartete Überraschung. Der Schwerpunkt des Deltagraphen liegt dank des klobigen und viel schweres Glas enthaltenden Korrektors viel zu weit vorne. Daß die 20kg Gegengewicht für beide Geräte zuwenig sind, ist Nebensache. Wolfgang Weisers CGEPro hat die gleichen Gegengewichte, dort können wir vorübergehend Anleihe nehmen. Nach längerem Überlegen, Messen und Schwerpunkt Bestimmen finden wir eine Lösung, die wir dann morgen umsetzen wollen. Die simple Lösung wäre gewesen hinten einfach Gegengewicht zu montieren, aber woher nehmen und die Befestigung wäre auch nicht ganz einfach. Vor allem aber würde jedes zusätzliche Gewicht auf der Geräteseite auch mehr Gewicht auf der Gegengewichtsstange erfordern. Einerseits belastet das die Montierung unnötig und ist andererseits auch eine nicht sehr elegante Gewaltlösung.


Viele Löcher müssen gebohrt und Gewinde geschnitten werden


Nach dem Prinzip "Balkenwaage" ermitteln wir mit einem darunter gelegten Rohr den Schwerpunkt

Der Mittwoch (7.10.) wird ein weiterer Basteltag. Bis Mittag stelle ich mit Hilfe von Friedhelm die Montageplatte für die Geräte fertig. Dann wird der Deltagraph auf die Platte gesetzt und die Losmandy-Klemme für den APO befestigt. Zu Dritt heben wir das alles auf die EQ8, setzen den APO auf und mit zwei weiteren von Wolfgang geliehenen Gegengewichten ist dann alles in perfekter Balance. Nachmittags beginne ich mit der Verkabelung und der Montage der diversen elektrischen Einrichtungen. An der Befestigungsplatte montiere ich einen USB-Hub, sodaß nur mehr ein USB-Kabel durch eine Verrohrung durch Säule und Boden zum Arbeitsplatz verläuft. Ebenfalls eingefädelt wird ein Stromkabel zu einer Steckerleiste am Montierungssockel. Wie fast schon üblich brauen sich auch heute wieder am Nachmittag dunkle Wolken zusammen. Für ca. 1/2 Stunde kommt ein heftiger Sturm auf, der sich aber so rasch legt, wie er gekommen ist. In der Abenddämmerung stehen westlich vom Gamsberg dunkle Regenwolken, aus denen dunkle Fallstreifen erdwärts ziehen. Dies sind dunkle Streifen herabfallenden Regens, der aber nicht den Boden erreicht sondern in den tieferen und damit wärmeren Luftschichten wieder verdampft. Auch in der Nacht gibt es wieder reichlich Dunkelwolken, doch bestehen diese leider aus Wasser in der irdischen Atmosphäre und nicht aus interstellarem Staub.


Der Deltagraph und der APO sind auf der Montageplatte und diese auf der EQ8


40kg Gegengewicht halten alles in Balance


USB-Hub auf der Unterseite der Montageplatte


Der Arbeitsplatz: am Laptop links läuft "The Sky", am Monitor rechts EQMOD zur Steuerung der Montierung; vor dem Laptop das Logitech wireless Gamepad zur direkten Steuerung von EQMOD am Teleskop

Der nächste Arbeitsschritt am Donnerstag (8.10.) ist es dann die Montierung möglichst nach Süden auszurichten. Vergeblich suche ich den berühmten Reifen am Pfahl. Nachdem ich ihn mir von Friedhelm zeigen ließ, stellte sich heraus, daß er von der etwas tieferen Lage der Sternwarte aus bereits vom Bergrücken verdeckt wird. Da er aber ziemlich genau in der Mitte zwischen zwei markanten Bäumen steht, habe ich auch so einen tauglichen Bezugspunkt, Dann folgt die Prozedur die optischen Achsen der Geräte einschließlich Sucher möglichst genau zueinander auszurichten. Das geht rascher als gedacht, denn ohne irgendein Nachjustieren stehen Deltagraph und APO fast exakt parallel. Am Nachmittag mache ich mich daran den Deltagraphen neu zu kollimieren, da er durch die vielen Manipulationen etwas dekollimiert ist. Das wird zu einer erfolglosen Sisyphosarbeit. Ohne jetzt in die technischen Details zu gehen: aus den sichtlich händisch schwarz gestrichenen Fangspinnen und schwarzen Farbspuren am metallfarbenen Korrektor ziehe ich den Schluß, daß da wohl der Voreigentümer irgend etwas herumgemurkst hat. Ich beschließe die Fangspinnen auszubauen, als Muster mit nach Wien zu nehmen und neue verstellbare anfertigen zu lassen. Bei seinem prinzipiell einfachen Aufbau muß der Deltagraph in wenigen Minuten kollimierbar sein. Dann erfolgt noch die Montage des Robofocus und die Verlegung der gesamten Verkabelung für Camera, Robofocus und PC-Steuerung der Montierung. Aus Wien habe ich noch einen übrig gebliebenen Flachbildschirm mitgebracht- Damit ist es möglich auf einem Bildschirm z.B. die Planetariumssoftware zur Steuerung des Teleskops laufen zu lassen und auf dem anderen alles was zur Camerasteuerung erforderlich ist. Überflüssig zu erwähnen, daß der Abend wiederum das Spiel der Dunkelwolken bot, wie schon die Tage zuvor.

Am Freitag (9.10.) wache ich zufällig gegen 6 Uhr auf, da heftiger Wind am Fenster rüttelt und den Vorhang hin und her schlägt. Als ich schlaftrunken nach draußen blicke, setze ich sofort die Brille auf. Tief im Osten stehen der abnehmende Mond, darüber hell leuchtend Venus und darunter Jupiter. Knapp nördlich neben dem Mond steht Regulus und der Kopf des Löwen und dann noch weiter nördlich Castor und Pollux. Weiter reicht der Blick von meinem Fenster nicht. Als ich dann Starry Night zu Rate ziehe, zeigt sich, daß um diese Zeit im Norden Orion kulminiert, also unser gesamter Winterhimmel zu sehen ist, aber genau um 180° verdreht am Kopf stehend. Da werde ich mir in den nächsten Tagen wohl einmal den Wecker sehr früh einstellen müssen.

Der Vormittag ist dem Studium der Programmbeschreibungen von EQMOD gewidmet. Am Nachmittag setze ich dann das Gelesene in die Tat um. Recht rasch sind die EQ8 und der PC gekoppelt und die Montierung läßt sich nun vom PC aus steuern. Genau genommen ist EQMOD nichts anderes als ein auf der ASCOM-Plattform basierender Treiber, der die Montierungsmotoren direkt ohne Handcontroller und der darin enthaltenen Steuersoftware ansteuert. Während aber üblicherweise Treiber ihr Dasein unauffällig im Hintergrund fristen, gibt es für EQMOD eine Reihe von Fenstern, über die sich unzählige Parameter und Funktionen einstellen lassen. Der wirkliche Clou von EQMOD ist die Tatsache, daß es sich um ein wesentlich besseres Steuerungsprogramm für die Montierung handelt, als es der SynScan Handcontroller ist. Statt maximal ein Alignment mit drei Sternen aus einer vorgegebenen Liste vorzunehmen, kann mit EQMOD jeder beliebige Stern als Alignment-Stern verwendet werden und das in unbeschränkter Anzahl. Allgemein läuft eine solche Programmfähigkeit unter der Bezeichnung Pointing-Modell. Damit sollten die Probleme, die ich im vergangenen Mai mit der Positioniergenauigkeit hatte, der Vergangenheit angehören. Nun wäre es nicht schlecht endlich einmal einen klaren Abend zu haben, denn alles, was noch aussteht, setzt einen Sternenhimmel voraus. Abgesehen davon will ich doch auch noch einige Herbstobjekte des Südhimmels fotografieren, so vor allem die Magellanschen Wolken.

Der Samstag ist auf Hakos von den Begräbnisfeierlichkeiten für Walter geprägt. Waltraud war schon am Freitag mit ihren Geschwistern nach Swakopmund aufgebrochen, um den Sarg mit Walter nach Hakos zu bringen. Bald nach 9 Uhr morgens sind sie zurück und der Sarg wird auf der überdachten Jausenterrasse aufgebahrt, die schon am Vortag von der Familie entsprechend geschmückt wurde. Eine von Walter aus Blech nachgeformte Welwitschia ist am Kopfende des Sarges aufgestellt. Sie symbolisiert sowohl Walters Ausbildung als Schlosser und Mechaniker als auch seine enge Verbindung zum Land und zur namibischen Natur. Die Welwitschia (benannt nach dem österreichischen Arzt und Botaniker Friedrich Welwitsch, der sie 1859 in Angola entdeckte und sie folgendermaßen beschrieb: "Dies ist ohne Frage die wunderbarste Pflanze, die je in dieses Land gebracht wurde, und eine der häßlichsten.") ist aber auch ein Zeichen für die Zähigkeit zum Überleben in einer unwirtlichen Natur und Langlebigkeit, wird sie doch mehrere hundert Jahre alt. Neben der Familie waren zur Trauerfeier zahlreiche Freunde aus Namibia gekommen. Die schwarzen Arbeiter der Farm nahmen ebenso daran teil wie auch wir Amateurastronomen, die gerade auf Hakos weilten. Die Reden, seien sie vom die Einsegnung vornehmenden Priester, der Familie und Freunden gehalten, betonten zwar alle den erlittenen Verlust, zeichneten markante Lebensstationen Walters nach und würdigten viele seiner Leistungen, aber gleichzeitig strahlten sie auch Freude und Zuversicht aus. Auch die gesungenen Lieder waren anders als bei uns gewohnt, von frohem Klang. Vor allem die von den Schwarzen vorgetragenen einheimischen Lieder. Natürlich verstand keiner von uns Europäern den Text, doch schon der Klang sprach für frohe Inhalte.

Nach dem Zeremoniell auf der Farm wurde der Sarg auf einen Anhänger geladen, der vom ersten Traktor Walters zur Grabstelle auf dem Weg zu Walters Point knapp nach der IAS gebracht wurde. Die Grabstelle blickt zu den alles dominierenden Hakosbergen und zur Walters Point genannten Anhöhe, die einen wenn nicht den schönsten Ausblick in das weite Land bietet. Auch zur Astronomie hat die Grabstelle einen tiefen Bezug. Vor einigen Jahren wurde auf Hakos ein Planetenweg errichtet. Das Grab liegt genau an jener Stelle des Planetenweges, wo sich der Kleinplanet (157015) WalterStraube befindet. Mit dem am Grab gesungenen Südwestlied, ich würde es die Nationalhymne der deutschstämmigen Namibier nennen, fanden die Begräbnisfeierlichkeiten ihren Abschluß. Unser vollmechanisiertes Bestattungswesen mit ausgeprägtem Sinn für Kommerz, könnte sich hier ein Vorbild nehmen. Man muß nicht unbedingt auch noch aus dem Tod ein großes Geschäft machen und neben dem Grab die Hand aufhalten.

Ich werde Walter als Gastgeber und Freund, vor allem aber als namibisches Urgestein und Pionier der Astronomie in einem rauhen Winkel Afrikas in bleibender Erinnerung halten. Sein allabendlicher Spruch "feste essen, bis morgen gibt´s nichts mehr!" wird uns fortan fehlen und noch Vieles mehr.

R.I.P. lieber Walter


Die Grabstätte mit Blick auf die Hakosberge, der Hügel links ist Walter´s Point


Der Kleinplanet (157015) WalterStraube auf dem Pfahl ergänzt nun den Hakos Planetenweg

Das Wetter hält, was die Vorhersage versprochen hat und so habe ich seit Samstag klare Nächte. Die Nacht auf Sonntag dient vor allem einmal dem möglichst genauen Einsüden der Montierung. Nach 3 Durchläufen 2-Star-Alignment und nachfolgendem Polar-Alignment liegen die Abweichungen in beiden Achsen im Bereich zwischen 2-4 Bogenminuten.

Der Herbsthimmel in Namibia verlangt mir einiges an Neuorientierung ab. Ab September gilt in Namibia Sommerzeit. Somit ist Sonnenuntergang um ca. 19:00 herum. Um 20:00 ist es finster. Zu Beginn der astronomischen Finsternis erstreckt sich die Milchstraße von Norden nach Südsüdwesten. Der Schütze kulminiert gerade in ca.55° Höhe. Alpha und Beta Centauri stehen gerade noch über dem Horizont, das Kreuz des Südens ist bereits untergegangen und dem Schützen folgen Adler und Schwan. Der Kopf des Skorpions ist nur mehr ca. 20° über dem Horizont. Im Laufe der nächsten Stunden wandert die Michstraße immer näher zum Horizont, bis sie schließlich ganz verschwindet. Dafür taucht im Osten Orion über dem Horizont auf, natürlich kopfstehend mit Schwert nach oben. Rechts (südlich von Orion stehen großer Und kleiner Hund mit Procyon und Sirius, links (nördlich) von Orion der Stier mit den Hyaden und Pleiaden. Kurz gesagt: unser Winterhimmel aber kopfstehend und seitenverkehrt (womit nun doch der Beweis gelungen ist, daß die Bewohner der Südhalbkugel am Kopf stehen). Noch zu erwähnen wäre, daß im Herbst die kleine Magellansche Wolke recht früh kulminiert und ihr dann in der 2. Nachthälfte die große Schwester nachfolgt.

Ein schneller Test mit der QHY8Pro Camera am Deltagraphen zeigt, daß Fotografieren mit diesem nicht viel Sinn macht, solange das Problem mit der Kollimation nicht gelöst ist. Etwas neben der optischen Achse fangen die Sterne an oval zu werden und am defokussierten Stern ist der Schatten des Korrektors deutlich dezentriert.

Für die nächsten Tage baue ich mir daher astrofotografisch folgende Camera/Optik Kombinationen zusammen. Am William APO ist die Canon 760D mit oder ohne Reducer 0.8x. Darauf Huckepack mit einem Schwenkkopf die QHY8Pro mit einem Nikon 2.8/180mm ED Objektiv.

Irgendwie kommt es mir als Witz der Geschichte vor, daß ich gerade am Südhimmel meine erste intensivere Fotosession im Orion und Stier mache.

Nach dem Begräbnis sind noch viele Familienangehörige auf der Farm geblieben. Am Sonntag sind wir am Abend eingeladen auf Walters Point mitzukommen, wo ein Lagerfeuer brennt und gegrillt wird. Walters Point ist ein westlich der Farm ungefähr 45 Minuten zu Fuß entfernt gelegener Hügel, von dem man einen ergreifend schönen Ausblick hat. Rechter Hand liegen die Hakos-Berge, linker Hand das Gebirgsmassiv mit dem Gamsberg und vor einem zunächst eine hügelige Landschaft, bis sich der Blick in den Weiten der Namib-Wüste verliert. Walter hatte erwogen hier ein kleines Häuschen zu errichten. Zu diesem Hügel hat es ihn immer wieder hingezogen. Heute stehen um das Lagerfeuer herum Campingsessel und dazwischen ein Lehnstuhl mit einem Bild Walters darauf. Sein letzter Blick von Walters Point aus.


Sonnenuntergang bei Walter´s Point


Die untergehende Sonne ist von der horizontnahen Atmosphäre verzerrt


Lagerfeuer an Walter´s Point, ein Stuhl bleibt leer

Die verbleibenden Nächte von Sonntag auf Montag und dann auf Dienstag verbringe ich mit Fotografieren, komme erst gegen 5:00 ins Bett und bin daher tagsüber etwas flach und gleiche den versäumten Schlaf mit Faulenzen und Dösen aus.

Auch von der IAS gibt es neues zu berichten. In der großen Baader-Kuppel wurde die alte Montierung gegen eine neu 10Micron GM 4000 HPS (Tragkraft 150kg, Positionierungsgeschwindigkeit von 10 Grad/sek. bei einer mittleren Positionierungsgenauigkeit < 20" und einer Nachführgenauigkeit von ca. 1"/15min (peak to peak)) getauscht, dem ganz großen Bruder meiner GM 1000 HPS. Bestückt ist diese Montierung mit einem 20 Zoll Cassegrain von Alluna.


10Micron GM 4000 HPS mit Alluna 20 Zoll Cassegrain

Zwischen der Baader-Kuppel und dem Hauptgebäude steht nun eine kleinere Kuppel mit einem 130mm TMB-Refraktor, der einmal robotisch gesteuert werden soll.

Üblicherweise widme ich meine erste Nacht auf Hakos der rein visuellen Beobachtung. Diesmal ist es genau umgekehrt. Da ich am Mittwoch vormittag zum Rückflug aufbrechen muß, werde ich eine kurze Beobachtungsnacht machen, ausschließlich der visuellen Astronomie gewidmet.

Fotografisch habe ich mir teilweise ein Eigentor geschossen, denn blöderweise habe ich den UV/IR-Clip-Filter in meiner alten Canon 30D stecken lassen und somit nicht mit in Hakos. Ohne diesen Filter sind aber scharfe Aufnahmen nicht möglich, da im IR der Focus anders liegt als im visuellen Bereich und die Camera ohne Filter bis ins nahe IR empfindlich ist. Also muß ich den OWB (Original White Balance) Filter verwenden, der die Camera zwar tageslichttauglich macht, aber den roten Bereich stark beschneidet. Trotzdem gelangen recht gute Aufnahmen. Zu Hause kam dann noch die Überraschung, daß bis jetzt noch kein Programm, außer das Canon eigene Bildbearbeitungsprogramm, die CR2 RAW-files der neuen 760D öffnen kann. In TIFF umwandeln und dann bearbeiten ist mir zu mühsam, da warte ich lieber auf die Updates und habe dann in schlechten Winternächten etwas zu tun.

Wolken und Gewitter waren bei meinen bisherigen Aufenthalten auf Hakos praktisch Fremdworte. Nun erzeugen sie eine ganz ungewohnte Stimmung vor allem in der Abenddämmerung und bei Sonnenuntergang. Ganz kann die Fotografie die tatsächliche Stimmung nicht wiedergeben, aber die nachfolgenden Aufnahmen kommen ihr doch recht nahe.


Schemenhafter Gamsberg in Regen und Nebel


Schwarze Gewitterwolken über Hakos


Regenwolke mit Fallstreifen


Beginnender Frühling auf Hakos

Am Mittwoch bringt mich dann Waltraud zum Flughafen. Auf dem Flug nach Johannesburg lese ich ein Buch mit dem Titel "Symbiotic Stars". Neben mir sitzt ein älteres Ehepaar. Nach einiger Zeit fragt mich der Mann unter Verweis auf das von mir gelesene Buch, ob ich ihm erklären könnte, was symbiotische Sterne sind. Als ich es erkläre, stellt sich heraus, daß mein Gesprächspartner ein norwegischer Berufsastronom im Ruhestand ist, der sich vorwiegend mit der Erforschung der Sonnenkorona beschäftigt hat. Daher war ihm der Begriff "Symbiotic Stars" nicht geläufig (Symbiotische Sterne sind enge Doppelsternsysteme in denen es zu Wechselwirkungen, so insbesondere zu einem Massentransfer zwischen einem roten Riesenstern und seinem heißen Begleiter, meist ein O- oder B-Stern aber auch einem weißen Zwerg, kommt).

Ein etwas über 10-stündiger Nachtflug bringt mich zurück nach München. Von München nach Wien benötige ich für 1/20 der Strecke Johannesburg - München dann ebenfalls 10 Stunden. Statt eines mehrseitigen Romans nur ein paar Schlagworte: da der Railjet Wien - München wegen des Flüchtlingsstroms nicht fährt, fährt auch keiner in die Gegenrichtung (logisch, oder?); ein späterer Regionalzug nach Salzburg über Freilassing bleibt in Rosenheim fast eine Stunde im Bahnhof stehen, da sich angeblich hinter dem Zug eine Person mit Fahrrad auf den Geleisen befindet (logisch, oder?). Dann kann der Zug nur bis Freilassing fahren, da er wegen Verspätung keine Fahrtrechte auf österreichischen Geleisen mehr hat (logisch ...). Der nachfolgende Zug darf wieder (lo......). Endlich im Railjet von Salzburg nach Wien; St. Pölten: 20min Aufenthalt, dann die Mitteilung wegen eines technischen Gebrechens muß die alte Strecke befahren werden, Verspätung 45min. Endlich 17:15, ich komme in Wien an; Taxi Rushhour 18:00 Gott sei Dank zu Hause Uff. Da ich bei der nächsten Namibiareise nur mehr ein Gepäckstück haben werde, werde ich Wien - München wohl fliegen.

Hakos, ich komme wieder, im April/Mai 2016.