Totale Sonnenfinsternis, Teil 2

40 km südlich vom Zentrum Novosibirsk, Russland; 54°49’57,6“ Nord, 83°03’09,5“ Ost, 01. 08. 2008

20080801bko11.html

Beobachter:Bernhard Kohmanns
Datum:01. 08. 2008
Zeit:10:00 bis 13:50 MESZ
Ort:40 km südlich vom Zentrum Novosibirsk, Russland; 54°49’57,6“ Nord, 83°03’09,5“ Ost
Instrument:Canon 350D modified m. 300mm Zuiko + 2-fach Konverter; Minolta XD 7 m. 35mm
Bedingungen:
Durchsicht:sehr gut (1)
Seeing:sehr gut (1)
Wind:stark aus W
Temperatur:30-22°C
Sonstige Bedingungen:bis Hälfte der ersten partiellen Phase Durchzug von Wolken, danach wolkenlos, starker Wind, anfänglich 30°C; Abkühlung bis auf 22°C während der Totalität.
Bericht:

Totale Sonnenfinsternis in Novosibirsk, Teil 2

Im Nachgang zu meinem ausführlichen Bericht über unsere SoFi-Reise hier noch 2 weitere Bilder und eine Sternkarte.

Meine GPS-Messung ergab folgende Koordinaten für unseren Beobachtungsplatz am Ob-Stausee:
54°49'57,6" Nord
83°03'09,5" Ost
Seehöhe: 110 m
Novosibirsk liegt ergo annähernd auf der Breite von Kiel.

Das erste Bild zeigt die Korona kontrastverstärkt nach der extrem aufwendigen Pellett-Methode.
So deutlich treten die Kontraste visuell nicht zu Tage.
Die Rohbilder wurden mit der H-Alpha-modifizierten Canon 350D, 300mm Tele und 2-fach Konverter, also mit 600mm Brennweite bei Blende 22 und 800 ISO aufgenommen.
Die Belichtungszeiten betrugen 1/2000 Sekunde und dann jeweils verdoppelt bis auf 1 Sekunde.

Bei totalen Sonnenfinsternissen werden Sonnen-nahe Gestirne sichtbar, die normalerweise am Taghimmel von der Sonne überstrahlt werden und somit unsichtbar bleiben.
Weiters werden im Sommer die hellsten Sterne der Wintersternbilder sichtbar.

Eine Sternkarte für die Beobachtungszeit und die o.g. Orts-Koordinaten zeigt die fünf während der Totalität beobachteten Gestirne Merkur, Venus, Regulus, Saturn und Mars, aufgereiht an der Ekliptik wie an einer Perlenschnur.
Die Präzession lässt die Tierkreis-Sternbilder im Laufe der Zeit immer weiter von den Tierkreis-Zeichen zeitlich wegdriften; zur Römerzeit waren sie -von den unterschiedlich großen Flächen der einzelnen Sternbilder mal abgesehen- noch weitestgehend ident.
Anhand der Sternkarte sieht man die Sonne am 1.8.2008 noch mitten im Tierkreis-Sternbild Krebs stehen, obgleich wir zu dem Zeitpunkt bereits das Tierkreis-Zeichen Löwe haben.

Die Sternkarte ist Teil meines selbst geschriebenen Programms „Astro-Navigation mit Excel“. Ebenso habe ich die Werte für die Berechnungen weiter unten aus diesem Programm entnommen.

Die schwächeren Sterne habe ich dabei abgeschalten, Skelett-Linien und Sternbildgrenzen zur besseren Orientierung eingeschalten. Die Dämmerungszeiten gelten für Datum und Ortszeit Novosibirsk.
Interessanterweise ist auch ersichtlich, daß es in diesen Breiten am 1.8. nicht mehr astronomisch Nacht wird, sondern die Sonne bei Tiefststand in der Astronomischen Dämmerung (= Zone von 12° bis 18° unter Horizont) verharrt: sie erreicht mithin nie die 18°-Marke.

Die folgende Aufnahme wurde mit der Minolta XD 7 und 35mm Weitwinkel auf 100 ISO Dia-Film gemacht; Belichtungszeit 2 Sekunden.

Sie zeigt von links nach rechts:

1.Den 77,49 Lichtjahre (77.490.000.000.000 km) entfernten Stern Regulus im Löwen (Alpha Leonis), Spektralklasse B7.
2.Den Planeten Venus, Entfernung zum Beobachtungszeitpunkt von der Erde: 13 Licht-Minuten und 45 Licht-Sekunden (247.313.700 km).
3.Merkur, dato 11 Licht-Minuten und 12 Licht-Sekunden (201.582.400 km) von uns entfernt.

Leider habe ich zu viel Brennweite genommen, ob sie mit dem 28mm Weitwinkel alle fünf drauf gegangen wären?

Beide Planeten stehen von der Erde aus gesehen hinter der Sonne.
Merkur hat soeben seine Obere Konjunktion hinter sich und zeigt bei einer Elongation von nur 3,4% eine Phase von 99,2%, also fast „Voll-Merkur“.
Venus hat ihre Obere Konjunktion schon länger hinter sich, zeigt aber bei einer Elongation von 14,7% immerhin noch 96,7% ihrer Phase.

Die Entfernungs-und Größen-Unterschiede zwischen dem Stern und den Planeten sind gewaltig.
Würde man den 150 Mio. km großen Erdbahnradius um den Faktor 10 hoch 11 auf 3 Meter schrumpfen, wäre die Sonne eine 1,4 cm große Haselnuß in 1,5 m Entfernung von der nurmehr sandkorngroßen Erde (0,12 mm).
Die winzigen Planeten Merkur (0,05 mm) und Venus (0,12 mm) stünden in 2 m bzw. 2,47 m Entfernung von der Erde aus, links hinter der Haselnuß.
Regulus wäre ein gleißend heller Golfball (4,6 cm groß) in bereits 775 km Entfernung!

Aber ebenso unvorstellbar sind die Unterschiede in der wahren Leuchtkraft.

Mit 10.697 °C Oberflächentemperatur ist Regulus doppelt so heiß wie die Sonne; gepaart mit seinem 3,3-fachen Sonnen-Durchmesser strahlt er gut 139 Mal so hell wie unsere Sonne.
Auf der Norm-Entfernung von 10 Parallaxensekunden (= 32,62 Lichtjahre) erreicht Regulus eine absolute Helligkeit von -0,519 Mag. Wegen seiner tatsächlich größeren Entfernung beträgt seine scheinbare visuelle Helligkeit jedoch nur 1,36 mag.

Im Gegensatz zu Regulus, dessen enorme Lichtmenge auf Kernfusionsprozesse nach der Einstein-Formel e = m x c² zurück zu führen ist, ist das Licht der Planeten lediglich reflektiertes Sonnenlicht. Sie sind vergleichsweise trübe Funzeln... erreichen aber wegen der viel geringeren Entfernung größere scheinbare Helligkeiten als der Stern.

Auf der Norm-Entfernung erzielt Venus eine winzige absolute Helligkeit von 26,69 Mag, wegen ihrer tatsächlich viel geringeren wahren Entfernung die stattliche scheinbare visuelle Helligkeit von -3,9 mag.
Merkur ist noch schwächer: seine absolute Helligkeit beträgt nur 29,29 Mag, seine scheinbare visuelle Helligkeit -1,75 mag.

Ergebnis: Venus erstrahlt scheinbar 127 Mal heller als der über 313.000-fach weiter entfernte und 76,5 Milliarden-fach leuchtkräftigere Regulus. Diese Helligkeitsdifferenz nimmt das Auge jedoch nur als rund 5 Mal heller wahr.
Venus erstrahlt scheinbar gut 7 Mal heller als der um 20% nähere und 11 Mal leuchtschwächere Merkur, was das menschliche Auge als rund 2 Mal heller empfindet.
Merkur erstrahlt scheinbar knapp 18 Mal heller als der rund 387.000 Mal weiter entfernte und 838 Milliarden-fach leuchtkräftigere Regulus. Wir sehen Merkur aber nur als rund 3 Mal so hell wie den Stern.

Ich finde es immer wieder faszinierend, welch ungeheure Unterschiede in den Dimensionen und astro-physikalischen Eigenschaften hinter drei unscheinbaren weißen Lichtpunkten auf einem kleinen Photo stecken!

Bernhard