Summer Star Party - ein Bericht der anderen Art

Hohe Wand, 01. 08. 2008

20080801sfl00.html

Beobachter:Thomas Schröfl (Fotos: Alexander Pikhard, Roland Graf)
Datum:01. 08. 2008
Ort:Hohe Wand, Gasthof Postl
Instrument:Takahashi TOA 130, Miyauchi 20x77
Bedingungen:
Durchsicht:sehr gut (1)
Aufhellung:gut (2)
Seeing:gut (2)
Wind:kein
Bericht:

Ein Bericht der anderen Art:

Seit Herbst 2001 bin ich bei der WAA und habe somit einiges an Summer Star Partys, Winter Star Partys, Easter Star Partys und sonstigen größeren Teleskoptreffen bereits mitgemacht. Ich meine daher, dass es für den Leser von Beobachtungsberichten eher langweilend ist, zum xten mal zu lesen, was man da so beobachtet hat. Statt dessen möchte ich diesmal einen Stimmungsbericht geben, damit alle, die nicht dabei waren auch wissen, was sie versäumt haben. Denn die WAA ist nicht nur ein Astronomieverein der u.a. regelmäßig gemeinsam beobachtet, sondern auch eine große Familie, die es versteht, immer wieder einige Tage gemeinsam in einem gemütlichen Rahmen zu verbringen.

Am Vormittag des Freitags habe ich in meinem Wochenendhaus in Edlach gemeinsam mit meiner Familie die partielle Sonnenfinsternis beobachtet. Es ist wahrhaft eine Schande. Seit dem Frühjahr 2002 besteht meine Privatsternwarte auf meinem Flachdach, die ich im Laufe der Zeit immer weiter ausgebaut habe, aber trotzdem fand meine im Nachbarort wohnende Schwester noch nie die Zeit, um einmal einen Blick zu den Sternen zu werfen. Heute ist Premiere und dazu noch mit einem besonderen Stern, unserer Sonne.

Am Nachmittag packe ich die Ausrüstung in mein Auto, seit Kind und Astronomie natürlich ein Kombi, und fahre mit Tochter Mariella auf die Hohe Wand zu unserer Summer Star Party. Keine Party ohne Roland und Kinder und damit ist gewiß, daß Mariella die nächsten 2 Tage auch ihren kindlichen Spaß haben wird. Roland ist nicht nur ein begeisterter Amateurastronom, sondern hat auch die einmalige Gabe Kinder einen ganzen Tag lang unterhalten zu können, und das nicht nur mit Spiel, Sport und Blödelei sondern auch mit Mathematik und Wissenschaft. Jedesmal verschlägt es mir den Atem, wenn ich sehe, wie er in wenigen Minuten jedes Kind spielerisch für Mathematik begeistern kann.

Beim Abendessen am Gasthof Postl ergibt sich die erste astronomische Plauderei im gemütlichen Rahmen der schon anwesenden WAAler. Mit Beginn der Dämmerung begibt sich alles zur angrenzenden Wiese, wo die Geräte aufgebaut werden. Je mehr die Dämmerung voranschreitet, umso mehr Beobachter erscheinen und bauen ihre Geräte auf. Als es dann endlich astronomisch finster ist steht ein beachtlicher Gerätepark am Rande des Zufahrtsweges.

Für die heurige Summer Star Party habe ich zwei Geräte mitgenommen, nämlich mein neues Liebkind, einen Takahashi TOA 130mm Refraktor auf eine Vixen New Atlux Montierung und das Miyauchi 20x77 Binokular auf einer Parallelogrammmontierung. Zunächst gilt es eine kleine technische Hürde zu überwinden, denn ich habe mich zu Hause vergriffen und einen Vixen Skysensor zur Steuerung der Montierung mitgenommen, in den noch nicht die Daten für die Hohe Wand und die Parameter für die Montierung gespeichert sind. Das kostet mich eine gute halbe Stunde bis das Werkl läuft, aber dann steht dem Beobachten nichts mehr im Wege.

Erstes Ziel ist Jupiter, der noch recht tief im SO steht, Seeing und die tiefe Ekliptik lassen keine Wunder erwarten, trotzdem ist es ein schöner Anblick Jupiter mit den gallileischen Monden zu sehen. Später, als Jupiter kulminiert und sich das Seeing gebessert hat, sind deutlich die Wolkenbänder und der rote Fleck zu sehen. Auch wenn es schon bald eine alte Leier wird, bestätigt sich neuerlich der abgewandelte Spruch aus der Werbung "wo Takahashi drauf steht, ist auch Takahashi drinnen". Was dieser Spitzenrefraktor zu bieten vermag, ist allemal seinen Preis Wert. Alex, der auf nicht weniger als 35 Jahre Erfahrung zurückblicken kann, entkommt der Ausspruch: "Der steckt locker jeden Achtzöller (Spiegel) in die Tasche". Ungeniert gebe ich meine Eitelkeit zu. Es macht schon Freude, wenn sich hinter dem Okular eine Schlange Neugieriger bildet, die auch einen Blick durch dieses Gerät genießen wollen. Nur noch ganz nebenbei: auch der ästhet kommt auf seine Rechnung, denn neben der optischen und mechanischen Qualität sieht diese Gerätekombination auch noch wunderschön aus. Und was gibt es denn Schöneres, als Freude mit anderen Gleichgesinnten zu teilen. Das verdoppelt das Vergnügen.

Meine persönliche Erfahrung mit Star Partys nach mehreren Jahren läßt sich leicht zusammenfassen. Wer intensiv beobachten, fotografieren oder wissenschaftlich arbeiten will, sollte sich lieber für eine ruhige Nacht alleine entscheiden. Star Partys sind dazu da, Gleichgesinnte gemeinsam die Freude an der Astronomie genießen zu lassen. Das heißt, die gleichen Objekte durch verschiedene Fernrohre zu beobachten und zu vergleichen. So sieht M 13 in meinem TOA 130 ganz anders aus als in Rolands 18 Zoll Dobson, doch in beiden Geräten ist er wunderschön. Oder: kaum ein Fernrohr kann den Kleiderbügel (Coathanger, Collinder 399) in Vulpecula beeindruckend zeigen, denn er benötigt mehr als 2 Grad Gesichtsfeld, um wirklich zur Geltung zu kommen, was aber für ein Fernglas kein echtes Problem darstellt. Und wenn ich schon beim Miyauchi bin: mit einem Fernglas langsam durch die sommerliche Milchstraße zu wandern erfordert keine Sternkarte und kein Starhopping. Einfach langsam schwenken und die Wunder nehmen kein Ende.

Oder: M 11 der Wildentenhaufen oder Wild Duck Cluster in Scutum: einer der schönsten offenen Sternhaufen, jedenfalls meiner Meinung nach. Im Fernglas ein nebeliger Fleck, im TOA 130 ein wunderschöner offener Sternhaufen, bestehend aus "pinpoint" zarten Sternen und ab 10 Zoll die Augenweide pur. Nur auf Starpartys läßt sich ein solches Objekt innerhalb weniger Minuten durch alle Kategorien von Geräten beobachten.

Die Liste dieser Beispiele ließe sich unendlich lange fortsetzen. Als pars pro toto soll sie nur zeigen, welche einmaligen Gelegenheiten eine Starparty ermöglicht. Denn wer hat schon alle Gerätekategorien nebeneinander und gleichzeitig zum Vergleich stehen.

Viele sind am Freitag zum Beobachten gekommen und kehren spät nachts zurück nach Wien. Alex, Roland mit den beiden Buben Peter und Michael, Ludwig, Judit, Helga und ich mit Mariella nächtigen im Gasthof Postl. Als wir uns am Samstag beim Frühstück treffen, ist der Himmel wolkenverhangen und immer wieder regnet es. Nur hoffnungslose Optimisten glauben an eine weitere Beobachtungsnacht. Aber nicht so wir WAAler. Einmal mehr zeigt sich wie wertvoll es ist einen professionellen Meteorologen in seinen Reihen zu haben. Andreas Pfosers Prognosen stimmen. Wir studieren am Laptop die Satellitenbilder und sind zuversichtlich, daß es am späten Abend nach Einbruch der Dunkelheit klaren Himmel geben wird. Nicht viele haben unser Vertrauen und so kommen am Samstag deutlich weniger Beobachter auf die Hohe Wand.

Aber vor dem Bericht über die zweite Beobachtungsnacht ein kurzer Bericht darüber, was Astronomen während eines Tages mit Schlechtwetter so tun, wenn sie auf die nächste Nacht warten. Vor allem werden nahezu stündlich die Wetterdaten aus dem Internet studiert und mit dem meteorologischen Wissen, das uns Andreas Pfoser in seinen Vorträgen vermittelt hat, ausgewertet. Staunend sehe ich, der leider diese Vorträge versäumt hat, zu, wie Alex gekonnt die Satellitenbilder interpretiert und Optimismus verbreitet.

Roland, mit der Gnade unbändiger Energie versehen, bestreitet mit den Kindern ein volles Tagesprogramm. Zunächst wird auf der Hohen Wand geklettert. Am Nachmittag, inzwischen regnet es mit nur kurzen Unterbrechungen, verlagert sich das Klettern in die Halle mit der Kletterwand am Gasthof Postl. Von Roland perfekt gesichert, klettern die Kinder die Wand hoch. Die beiden Buben absolvieren diese übung wie schwerelose Spinnen. Meine Mariella, kein Leichtgewicht und nicht übermäßig mutig, geht die Sache etwas vorsichtiger an. Aber trotzdem, bis zur Mitte der Wand schafft sie es auch, bevor sie Roland behutsam abseilt. Jugendlicher übermut wirkt auch auf Erwachsene ansteckend und so lassen wir uns von Roland der Reihe nach in den Klettergurt einbauen und versuchen, was man auch noch im fortgeschrittenen Alter zuwege bringt. Die Unbeschwertheit der Kindheit ist zwar verschwunden und die Kondition und Kraft ist auch nicht mehr das, was sie einmal war, aber wir schlagen uns tapfer. Irgendwo aus dem tiefen Unterbewußten und der Jahrzehnte zurückliegenden Vergangenheit grabe ich meine damalige Erfahrung im Klettern aus und siehe da, es funktioniert noch. Die grundlegenden Prinzipien der Klettertechnik lassen sich von meiner cerebralen Festplatte abrufen, wie wenn ich sie gestern erst dort gespeichert hätte, aber ach weh wohin ist die Kraft und Kondition der damaligen Zeit entschwunden. Die letzten 3-4m der Kletterwand schaffe ich einfach nicht mehr. Die Griffe werden immer schwieriger und die Kraft in den Fingern und Armen ist am Ende. Endstation für einen Oldie. Ich lasse mich nach hinten ins Sicherungsseil kippen und seile von Roland kontrolliert ab. Aber es hat verdammt viel Spaß gemacht und ist vielleicht ein Ansporn wieder etwas für die Kondition und Kraft zu tun. an muß ja nicht gleich Gouverneur von Kalifornien werden. Zwischen Null und Arnie gibt es ja noch Zwischenstufen.

Während wir dann das Abendessen "genießen" (Kommentar zu den Anführungszeichen folgt später), fängt es an aufzuklaren. In der beginnenden Dämmerung wird mit dem Aufbau der Geräte begonnen. Wenn auch nicht so viele wie am Tag zuvor, haben doch einige Vertrauen in die Prognosen gehabt und sind auf die Hohe Wand gekommen. Einer etwas kleineren Starparty steht nichts mehr im Wege.

Nun ohne nähere Details zu den vorerwähnten Anführungszeichen. Was immer es gewesen sein mag, jedenfalls führte es bei mir und Mariella zu einer kräftigeren Magenrevolte, die, das genußvolle Beobachten konterkarierte. Nach einem kurzen Rundgang und einem gelegentlichen Blick durch die aufgestellten Fernrohre zogen wir es vor uns der Genesung hinzugeben. Wie wir am nächsten Tag beim Frühstück von den anderen erfuhren, war es eine exzellente Beobachtungsnacht, die jeder, der sich vom Wetter abschrecken ließ, versäumt hat.

Es ist an der Zeit zu resümieren. Wer nicht zum absoluten Einzelgänger geboren ist, für den ist eine WAA-Starparty eines der astronomiegesellschaftlichen Highlights des Jahres. Man verbringt auf der Hohen Wand nahezu drei Tage entspannt in der freien und schönen Natur. Man kann mit gleichgesinnten Freunden jedes Thema der Astronomie beplaudern und immer wieder erfährt man Neues. Man beobachtet gemeinsam, tauscht Erfahrungen und Tips aus und kann eine Vielfalt von Geräten in einer Nacht am gleichen Objekt vergleichen, was sonst kaum möglich ist. Aber was noch viel mehr zählt, man fühlt sich drei Tage lang sauwohl und das zu einem astronomisch niedrigen Preis. Einzige Voraussetzung: man reist mit der richtigen Einstellung an. Die physische Präsenz genügt, denn ein Teleskop ist dafür nicht erforderlich, hat man doch die Gewißheit, daß genug davon vorhanden sind. Unsere 10. Jahrestagung als krönender Abschluß des ersten Jahrzehnts der WAA steht kurz vor uns. Die Vorfreude auf dieses Ereignis ist mit etwas Wehmut verbunden, weil ich nur sieben Jahre davon aktiv miterleben durfte, was mich an Gorbatschow´s berühmten Ausspruch erinnert "wer zu spät kommt, den bestraft die Geschichte". Dieses Problem läßt sich aber recht einfach lösen. Man muß nur die fehlenden drei Jahre mit drei Jahren an doppelter Aktivität kompensieren, dann geht die Gleichung wieder auf. In einer Zeit, die von gefühlskaltem Gewinnstreben (shareholders value) geprägt ist, zeigt die WAA täglich, daß es auch noch andere und erstrebenswertere Ziele gibt, nämlich die Förderung der Geisteswissenschaften, der Freundschaft und des Glücksgefühls des gemeinsamen Erlebens, Ziele, die mit Geld, Macht und ähnlichem absolut nicht zu tun haben. Auch wenn man mich jetzt eventuell der Gefühlsduselei beschuldigen mag, so behaupte ich doch:

WAA macht das Leben lebenswert, denn hier menschelt es.

In einem Sommer, der für mich heuer aus verschiedensten Gründen ohne längeren Urlaub besteht, waren dies drei Tage der totalen Entspannung und des grenzenlosen Wohlgefühls, trotz der Story unter Anführungszeichen.

Anm. d. Red.: Dem ist nichts hinzuzufügen, außer ein paar Stimmungsbilder. Danke, Thomas!

Stimmungsbilder vom ersten Abend ...


Die Wolken lösen sich wie erwartet auf

... und der ersten Nacht:

Stimmungsbilder vom verregneten Samstagnachmittag:


Zwischen zwei Beobachtungsnächten ...

Später Nachmittag, das Wetter wird besser:

Stimmungsbilder von Samstagabend:

Ausklang am Sonntagmorgen: