WAAusflug nach Prag, 26.-29. Oktober 2006

Besuch auf der Štefánik-Sternwarte

Wir haben unter der Čech-Brücke unseren Bus bestiegen; mit halbstündiger Verspätung und unter Zurücklassens eines Wartepostens, denn leider haben wir jemanden im Getümmel der Prager Altstadt verloren. Leider passiert das immer wieder, trotz aller dringenden Aufrufe, bei der Gruppe zu bleiben. Sorgen begleiten uns.

Die Sternwarte ist in Sichtweite, auf dem Petřin ("Laurenziberg"), doch bis dorthin soll es noch ein weiter Weg werden. Unser Bus kann und darf in Prag nicht überall fahren, das beeinflusst unsere Routenwahl. Renate ist auf den dichten Stadtverkehr konzentriert, ich versuche, mit dem Plan in der Hand, einen Weg zu finden. Nicht einfach. Es ist dunkel, Straßenschilder sind kaum auszumachen. Doch vorerst stehen wir auf einer breiten Hauptstraße nördlich des Stadtzentrums, keinen Kilometer von der Sternwarte entfernt. Luftlinie. Doch die kann unser Bus leider nicht nehmen. Stau. Die suboptimale Schaltung einer Verkehrsampel dürfte der Auslöser für diesen Stau sein; kommt einem doch bekannt vor. Wir sollten jetzt irgendwo nach links abbiegen, auf den Petřin, doch da ist keine auffällige Straße. Der Verkehr wird flüssiger, die Straße, auf der wir uns befinden, breiter. Mittelstreifen. Tunnel. Oh nein, nicht dieser Tunnel! Er unterquert ganze Stadtviertel und ist Teil des neuen, inneren Rings von Schnellstraßen um das Stadtzentrum. Schnell raus! Renate nimmt waghalsig die nächste Ausfahrt. So, und wo sind wir jetzt? Egal, zurück. Das ist nicht so einfach. Die Auffahrt auf die Schnellstraße liegt gut getarnt zwischen zwei Hotels. Wegweiser? Wozu, kennt doch eh jeder. Wir haben die Wahl zwischen einer niedrigen Garageneinfahrt (zu niedrig für Cäsar) und einer schmalen, bergauf führenden Fahrbahn - das ist die richtige Auffahrt!

Zurück durch den langen Tunnel. Nach dessen Ende nehmen wir die nächstbeste größere Straße nach rechts. Straßenbahnschienen. Sehr gut, das stimmt. Wir erreichen die alte Burgmauer. Hinter ihr liegt die Sternwarte. Bloss: Da ist kein Tor, nichts. Vor uns liegt das riesige, verfallene Strahov-Stadion, in dem einst vor 200.000 Zuschauern die Spartakiade stattfand. Auf seinem Parkplatz ist für unseren Bus Endstation. Der Parkplatzwächter kennt den Fussweg zur Sternwarte. Er führt durch eine moderene Satellitenstadt. In Eisenkäfigen spielen Studenten Fußball. Graffiti in serbisch und anderen südosteuropäischen Sprachen vermitteln nicht unbedingt ein Gefühl von Sicherheit. Doch es sind Studentenheime, alles nicht so schlimm.

Über einen Übergang erreichen wir endlich die Sternwarte.


Endlich haben wir sie erreicht, ...


... die Sternwarte

Die Homepage der Sternwarte (http://www.observatory.cz/intra/intro_de.php) verrät uns:

Die Štefánik Sternwarte befindet sich im Herzen Prags, in den Parks von Petřín an der Hungermauer, die im 14. Jahrhundert gebaut wurde. Die Sternwarte wurde am 24. Juni 1928 geöffnet. Die gegenwärtige Gestalt hat es bei einer umfangreichen Rekonstruierung in der Mitte der siebzieger Jahre bekommen, nach der es im 1976 wiedereröffnet wurde. Seit 1979 ist die Štefánik Sternwarte Mitglied von der Sternwarte und Planetarium der Hauptstadt Prag.

Primäre Teleskope der Sternwarte sind der zweifache Astrograph des Wiener Selenographs König, der in der Hauptkuppel plaziert ist und im Jahre 1928 gekauft wurde, und ein Spiegel Maksutov-Cassegrain aus dem Jahre 1976, der in der Westlichen Kuppel steht. Die Ostkuppel wird nur für berufsmässige Aktivitäten benutzt und wurde im Jahre 1999 mit einem modernem Spiegeltelskop von einem Durchmesser von 40 Zentimeter angesiedelt.

In der Gegenwart konzentriert sich die Sternwarte auf die Popularisierung der Astronomie und verwandter Naturwissenschaften. Das interessanteste, das wir zu bieten haben, sind wahrscheinlich die öffentliche Beobachtungen von dem Tags- und Nachtshimmel, die das ganze Jahr bei guttem Wetter stattfinden.

Wenn sie sich entscheiden, uns zu besuchen, erwartet sie eine Besichtigung der astronomisch gezielten Ausstellung, den Kuppeln und Teleskopen. Bei guttem Wetter is es möglich, das Himmel zu beobachten. Es werden sich euch unsere Englisch-sprachige Mitarbeiter widmen, die bereit sind, euere Fragen zu beantworten.

Am Tag beobachten wir die Sonne. Der Teleskop in der Hauptkuppel ermöglicht nicht nur den klassischen Blick auf den Solardiskus mit den Sonnenflecken, sondern erlaubt es, sich auch die Protuberanzen mit einem chromosphärischem Teleskop anzusehen.

Nachts orientiert sich die Beobachtung auf den Mond und Planeten in der Zeit ihren geneigten Sichtverhältnissen. Es ist auch möglich, hinter die Grenzen des Solarsystems hineinzukuckem und veschiedene Sterne, Nebel, Sternhaufen oder Galaxien zu beobachten.

Für im Voraus bestellte Gruppen ist es möglich, sich eine Projektion des Filmes Ins Weltall nah und fern in der englischen Sprache zu verabreden. Es ist ein audiovisuelles Programm über unserer unmittelbaren Gegend, das heisst dem Sonnensystem, sowie über den entfernten Galaxien.

Und so ist es dann auch ...


Shop (umfangreiches, interessantes Angebot)


Ausstellungsbereich


Die Ausstellung in der Sternwarte, ...


... sehr professionell gestaltet

Nach einer Führung durch den Ausstellungsbereich der Sternwarte, dessen Fokus natürlich auf Tycho Brahe und Johannes Kepler liegt, steigen wir in die erste, größere Kuppel zum Doppelastrografen, der einst in der Privatsternwarte von Rudolf König in der Wiener Kupelwiesergasse stand (die Sternwarte als Gebäude gibt es heute noch, allerdings nicht mehr in Betrieb).


Der Doppelastrograph

Die beiden Fernrohre wurden von Carl Zeiss gefertigt; bemerkenswert ist die Montierung nach Meyer, wie sie Anfang des 20. Jahrhunderts von Zeiss gebaut wurde. Ein wahres Stahlmonster mit unglaublich vielen Gegengewichten - es gibt sogar Gegengewichte für Gegengewichte, wer hält das für möglich! Das Instrument wiegt 5 Tonnen, eine gewaltige Masser für ein Teleskop dieser Größe.

Die größte, je gebaute Montierung dieser Bauart trägt in Hamburg einen 1m-Spiegel. Zeiss beschreibt die Konstruktion wie folgt:

"Den bis jetzt üblichen Montierungen für astronomische Fernrohre haften zum größten Teile Übelstände an, die dem Beobachter mindestens lästig fallen, wenn sie nicht die richtige Ausnutzung des Instrumentes überhaupt in Frage stellen. Es sind dieses die im allgemeinen nicht zu vermeidenden, in verschiedenen Lagen des Instrumentes verschiedenen Durchbiegungen der die Optik tragenden Teile des Instrumentes, und zwar der Rohre, der beiden Axen und der die letzteren tragenden Gabeln und Lagerblöcke."

"Bei der Konstruktion der vorliegenden neuen Art von Montierung ist besonders darauf Rücksicht genommen, die Größe der Durchbiegungen auf ein so kleines maß herabzumindern, daß ihr Einfluß weit geringer als der der Refraktion der Luft wird, gleichzeitig aber eine sehr leichte Bewegbarkeit des Instrumentes sowohl in Rectascension als auch in Declination zu erreichen."

"Das Gesamtinstrument ist dann gewissermaßen in zwei voneinander unabhängigen Abteilungen geteilt, von denen die eine, das eigentliche Instrument, zur Führung der Optik dient, während die andere, die Tragkonstruktion, die Lasten aufnimmt. Der erstere Teil ist dann vollständig entlastet, kann also keine Durchbiegungen erleiden, während der zweite, stark belastete Teil so angeordnet ist, daß er sich ruhig durchbiegen kann, ohne schädlich zu wirken."

"Um diesen Gedanken durchführen zu können, war es nötig, von der allgemeinen üblichen Art der Aufstellung abzugehen."

(aus Sterne über Hamburg, Originalzitat inkl. Fehler)

Der Himmel meint es heute nicht gut mit uns, Wolken verhindern fast gänzlich den Blick auf Sterne. Die Mitarbeiter der Sternwarte stellen den Ringnebel in der Leier (M57) ein, sein Anblick ist eher bescheiden. Dabei ist der Himmel recht dunkel. Kein Wunder, ist doch die tschechische Republik das einzige Land der Europäischen Union, das Lichtverschmutzung per Gesetz verbietet!


Blick zum Himmel


Die Meyersche Montierung, ein Metallmonster

Wir gehen in die zweite Kuppel; dort befindet sich ein 40cm Maksutov-Teleskop, ebenfalls von Carl Zeiss Jena gefertigt, doch rund 60 Jahre später als der Doppelastrograph. Auch die Montierung dieses Teleskops hat Kultstatus.


40cm Maksutov

Der Himmel hat komplett dicht gemacht, aus den Plänen, hier den offenen Sternhaufen NGC 457 ("E.T.") in der Cassiopeia zu beobachten, wird nichts. So müssen wir uns mit dem nahen Aussichtsturm begnügen. Es ist ein verkleinerter Nachbau des Eiffelturms und wurde aus Eisenbahnschienen errichtet.


Mit dem Blick zum Himmel wird das nichts, ...


... also ein Blick zu terrestrischen Objekten

Den Abschluß der sehr umfangreichen Führung durch die Sternwarte bildet die Vorführung des von der Sternwarte selbst produzierten und sehr professionell geschnittenen Films "Ins Weltall nah und fern" in dem sehr ansprechenden und modern ausgestatteten Kinosaal.


Darling, ich bin ...


... im Kino

Wenn schon keine echten Sterne, dann halt künstliche.


In den Tiefen des Alls

Nach diesem sehr eindrucksvollen Streifzug durch das All (dass die letzten ca. fünf Jahre astronomischer Forschung fehlten, störte nicht wirklich) verabschieden wir uns von unseren Gastgebern und gehen rasch zum Bus; ihn zu finden, ist jetzt kein Problem. Auch die Heimfahrt gestaltet sich einfach; der Verkehr in Prag ist jetzt, gegen Mitternacht, wirklich nicht mehr dicht und so erreichen wir zügig unser Hotel.

Gute Nachrichten erwarten uns; unser verloren gegangenes Mitglied ist wohlbehalten im Hotel angekommen. Das muss bei einem Bier gefeiert werden. Äh, da war doch noch was ... richtig, wir hatten noch kein Abendessen. Da das Restaurant des Hotels schon geschlossen hat, wählen wir die internationale Lösung in Form eines Prager Pizzaservice.

Unser erster Tag in Prag endet; die vielen Eindrücke und die Pizza müssen jetzt einmal verdaut werden.

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